Zusammenfassende Aspekte
Zunächst schlagen wir drei Perspektiven mit konkreten Gesten zur Umsetzung des
Themas vor:
Das Gesicht Von Maria, Der Unbefleckten Empfängnis
Ein Geschöpf, das ganz von der geschenkten Liebe
durchdrungen ist. Ein Geschöpf, keine Göttin und
auch keine Übergangsform zwischen Gott und
dem Menschen. Eine Frau, die bereit ist, von Anfang
bis zum Ende, von ihrer Empfängnis bis
zu ihrem Tod. Sie ist ohne Sünde empfangen,
ohne Hindernis, das der Liebe entgegensteht.
Sie ist die Unbefleckte: Sonst hätte
Gott vergeblich bei ihr angeklopft. Tatsächlich
kann die Liebe in ihr Fleisch werden
und nicht nur ein in den Raum geworfenes
Wort bleiben. Sie empfängt die
Gabe Gottes, seinen eingeborenen Sohn,
sein Ein und Alles. Sie stellt ihr Leben ganz
unter diese Aufgabe: die Empfängnis des
Gottessohnes. Am 25. März, nach drei Wochen
der Erscheinungen und drei Wochen
der Stille, kann sie Bernadette verkünden: „ICH
BIN die Unbefleckte Empfängnis“! Darum suchen
Christen so gerne die Nähe Marias, einer wunderschönen
Mutter. In unseren Regionen wird ihr Bild
verehrt. Wir sind eingeladen, es nach Lourdes, als Zeichen
der Freude und Dankbarkeit, zu bringen.
Wir bringen ein Marienbild nach Lourdes
Die Erscheinung, die auf die des 25. März Erfolgte, Fand Am Ostermittwoch, Dem 07. April Statt
Bernadette, hat nach einiger Zeit nicht mehr das Kerzenwachs, sondern die Flamme der Kerze zwischen ihren Händen und wird so selbst zur Osterkerze, zum brennenden Dornbusch, zum Zeichen jener brennenden Liebe, die uns durchdringen will. Jeder wurde von Anbeginn der Welt dazu bestimmt, heilig und unbefleckt in der Gegenwart der Liebe Gottes zu stehen. Das Privileg Marias zeigt uns, wer wir sind und wozu wir berufen sind.
Jeder von uns erhält einen weißen Stein und einen neuen Namen, das Geheimnis unseres Herzens, das im Herzen Gottes selbst eingestiftet ist: Name und Auftrag. Jeder empfängt ihn mit seiner Taufgnade: „Du bist mein geliebtes Kind. Du bist ein reines Wunder!“ Auch die Gnade des Bußsakramentes taucht uns erneut in die Freude unserer Wiedergeburt in Gott ein. Wir fanden gleichsam instinktiv Geschmack an der Sünde, Maria schenkt uns den Geschmack an Gott, den Geschmack an der Anbetung, zum Hören des Wortes, den Geschmack an einem Leben, das gänzlich Geschenk ist.
Ich empfange einen weißen Stein oder ich nehme den
erhaltenen Namen mit ins Gebet und den Austausch.
Die Kirche Ist Jene Familie
jene Heimat, in der wir mit Gott
versöhnt sind, wo wir den Brüdern und Schwestern begegnen, mit denen wir die Gabe Gottes teilen! Ein einsamer Christ, ist ein Christ in Gefahr! Maria, die Mutter, möchte uns um Jesus, unserem ältesten Bruder versammeln. Wir sind uns bewusst, dass uns eine unzählbar große Schar an Glaubenszeugen vorausgeht, die in ihrem Leben das Licht empfangen haben. Es sind die Heiligen und wir können uns aus ihrer Schar einen, der uns ganz besonders auf unserem Glaubensweg hilft, auswählen.
Wir bringen zahlreiche uns anvertraute Gebetsanliegen mit nach Lourdes. Wir kehren gestärkt mit unseren neuen Versprechen aus Lourdes zurück: vielleicht ist es Wasser aus der Grotte, ein Andenken … . Wir können auch die Gnade einer christlichen Bruderschaft, einer Gebetsgruppe, eines Dienstes oder einer Glaubensbewegung entdecken. Neben den vielen anderen Zeichen können wir, um die Gnade der Begegnung zwischen Maria und Bernadette zu bewahren, das Skapulier der Erzbruderschaft Famille de Notre Dame de Lourdes annehmen. Wir erhalten dann jeden Monat einen Brief, über den wir uns, wenn möglich mit anderen,
austauschen, um kleine Stützpunkte, Orte einer missionarischen Kirche für das Apostolat eines neuen Pfingstfestes zu errichten.
In Lourdes wollen wir die Marienfeste und den Marienmonat in besonderer Weise begehen und aus der Wallfahrtsstätte und den mit ihr verbundenen Orten „Schulen der Unbefleckten Empfängnis“ machen, immer im Bewusstsein, dass Maria uns zu Christus führt. Er schenkt sie uns: „Siehe deine Mutter!“, und sie macht uns darauf aufmerksam: „Was er euch sagt, das tut.“
Ich wähle oder ich erhalte den Namen eines Heiligen, der mich begleitet.
Wir sprechen einen Vertrauensakt oder einen Weiheakt
an die Unbefleckte Empfängnis Mariens
In Gegenwart des ganzen himmlischen Hofes erwähle ich dich heute, o Maria, zu meiner Mutter und Herrin. Dir weihe und schenke ich als mein Gut und Eigentum meinen Leib und meine Seele, all meinen äußeren und inneren Besitz; ja selbst den Wert all meiner guten Werke, der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen. Ganz und voll, ohne jede Ausnahme, sollst du das Recht haben, über mich und all das Meine nach deinem Gutdünken zu verfügen in Zeit und Ewigkeit zur größeren Ehre Gottes.
Amen, so sei es.
Gepriesen seist Du, Gott unser Vater, der Du Maria so schön erschaffen und sie uns am Fuße des Kreuzes Jesu zur Mutter gegeben hast.
Gepriesen seist Du, der Du uns gerufen hast, gleich Bernadette, Maria in Deinem Licht zu schauen und aus der Quelle Deines Herzens zu trinken. Maria, du kennst das Elend und die Sünden unseres Lebens und der Welt.
Heute wollen wir uns Dir völlig und ohne Vorbehalt anvertrauen;
Von Dir werden wir jeden Tag durch die Kraft des Heiligen Geistes wiedergeboren. Wir wollen das Leben Jesu als demütige Diener unserer Schwestern und Brüder leben.
Lehre uns, Maria, das Leben im Herrn zu ertragen.
Lehre uns das JA deines Herzens !
Nimm gnädig meinen Lobpreis an, o gebenedeite Jungfrau!
Unbefleckte Empfängnis,
Königin des Himmels und der Erde,
Zuflucht der Sünder und innig geliebte Mutter,
der Gott den ganzen Schatz der Barmherzigkeit anvertrauen wollte.
Hier bin ich N… zu deinen Füßen,
ich armer Sünder,
und bitte dich inständig:
Nimm mich ganz an als dein Gut und Eigentum.
Mache mit mir, was dir gefällt,
mit meiner Seele und mit meinem Leib,
mit meinem Leben, meinem Tod und meiner Ewigkeit.
Vor allem verfüge über mich, wie du es wünschst,
damit sich endlich erfülle, was von dir gesagt wird:
„Die Frau wird der Schlange den Kopf zertreten“ und:
„Du allein wirst die Irrlehren in der ganzen Welt besiegen.“
In deinen ganz reinen Händen, so reich an Barmherzigkeit,
möge ich ein Werkzeug deiner Liebe werden,
das fähig ist, viele laue und vom Weg abgekommene Seelen
neu zu entfachen und zur vollen Freude zu führen.
So möge sich ohne Ende,
die Herrschaft des Göttlichen Herzens Jesu ausbreiten.
Wahrhaftig, deine bloße Gegenwart zieht die Gnaden an,
die die Seelen bekehren und heiligen,
da ja die Gnade aus dem Göttlichen Herzen Jesu
auf uns alle überströmt,
indem sie durch deine mütterlichen Hände fließt.
Amen.
Auf einem Feld des Dorfes San
Miguel Los Lotes, in Guatemala,
dringt eine kleine Pflanze durch
die nach dem Vulkanausbruch
von Asche bedeckte Erde.
Das Leben ist stärker!
Gedanken Zum Thema
„Gegrüsset Seist Du, Maria…“
Wir sind nun hier an der Grotte, mit Bernadette, um Maria zu begegnen. In
der Tat sah während der Erscheinungen niemand Maria, aber man wollte
Bernadette sehen: Sie war es, das kleine, von Allen ignorierte Mädchen
aus Lourdes, die man im Licht entdeckte. Ihr wollten wir 2019 anlässlich des
doppelten Jahrestags ihrer Geburt und ihres Todes begegnen.
Im Jahr 2020 wollen wir uns in das Geheimnis jenes Gesichts einführen
lassen, das die Helligkeit einer anderen Welt widerspiegelt.
Vielleicht folgen wir zunächst dem Weg, den die Dame Bernadette
als Antwort auf ihre Frage vom 18. Februar gehen
lässt: „Hätten Sie die Güte mir Ihren Namen aufzuschreiben?“–
„Das ist nicht nötig“, antwortet sie lächelnd und in
der von Bernadette gebrauchten Förmlichkeit, ersucht
sie sie mit einem Versprechen: „Würden Sie mir die Ehre
erweisen, zwei Wochen lang hierherzukommen!“ Ich
kann meinen Namen nicht einfach wie auf einem Etikett
aufschreiben, wie auf einem offiziellen Dokument,
ich biete Ihnen an, Ihnen mein Herz zu öffnen und das
setzt voraus, das Sie das Ihre öffnen … ! Wollen Sie sich
auf diesen Austausch einlassen?
Es ist die Zeit des „Einander-vertraut-werdens“, einer
wechselseitigen Offenbarung. Keine Meinungsbefragung
wie zum besseren Verständnis der Kunden kann uns an diesem
freiwilligen Austausch, an diesem Austausch der Gnade,
teilhaben lassen. Denn es geht hierbei nicht darum, zu nehmen,
sondern zu geben, sich selbst einzubringen, wohl wissend, dass man nur
so in die Gnade als Person zu existieren, eintreten kann. Der Körper, der Geist,
das Herz des Nächsten werden so leicht zu einer nutzbaren Handelsware.
Wir sind eingeladen, das Geheimnis zu entdecken, ihm zu begegnen und es
zu ergreifen, so wie es uns im Verborgenen der Begegnung offenbar wird.
Maria als Person kennenlernen zu wollen, heißt sich bereit zu machen, ihren
Herzschlag zu hören, still zu werden, damit mir der Hauch seines inneren
Wesens, mit dem ein anderer sich mir mitteilen will, Stück für Stück sichtbar
wird; Dort, wo eine Person ganz in sich ruht, dort dann auch zu verweilen, um an ihren Vorlieben und ihrer Denkweise teilzuhaben, bis zu ihrem Ursprung hinaufzusteigen, damit auch ich durch diese existentielle Begegnung zu einem neuen Leben, einer sich mitteilenden Existenz geboren werden kann.
Schon Bernadette wurde, ab dem ersten Moment der Überraschung, als sie den Lichtkranz in der Grotte sah, dazu angeleitet, die Begegnung im Schatten eines allzu selbstverständlichen Zeichens fest zu machen, eines Zeichens, das man mit dem ihm gebührenden Respekt wiederentdecken muss: das Kreuzzeichen: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Im Namen eines Gottes in drei Personen, der sich uns am Kreuz offenbart, dem Kreuz des Leidens, dem Kreuz, das aus einer Liebe heraus angenommen wurde, die selbst dem Leiden und dem Tod Sinn verleiht. Ein Kreuz, das das Geheimnis eines Gottes der Beziehung ewiger Liebe offenbart, die so weit geht, für die zu sterben, die er liebt.
Hierzu sind wir verabredet. Bernadette hatte dies verinnerlicht, bis zu dem Moment, in dem auch sie mit dem Kreuz auf ihrem Herzen stirbt: auch sie lebt, um zu lieben. „Ich werde keinen Augenblick leben, ohne zu lieben.“ In der Grotte hat Bernadette die Erfahrung einer ganz gewöhnlichen und doch so seltenen Begegnung gemacht: „Sie sah mich an wie eine Person, die mit einer anderen Person spricht.“ Wenn man diesen Ausdruck ernst nimmt, so weist er auf den unendlichen Respekt für das einzigartige Geheimnis hin, welches jedem Menschen verliehen ist und das er selbst nicht ermessen kann. Der Mensch ist kein Gegenstand und auch kein vom Instinkt geleitetes Tier, sondern er ist jenes einzigartige Wesen, mit dem Gott in Beziehung treten will. Eine Freiheit wendet sich an eine andere Freiheit, im Hauch des Geistes der Liebe.
Wir könnten zweifellos eine gute Idee von dieser Begegnung bekommen, wenn wir den Beginn und das Ende des Evangeliums verbinden würden, den Gruß, den der Engel Gabriel von Gott an Maria ausrichtet (Lk. 1, 28), und den, den Jesus an die Frauen richtet, die das Grab leer aufgefunden haben: „Seid gegrüßt“ (Mt. 28, 9). Eine respektvolle Annäherung seitens Gottes, der die Freiheit seiner Geschöpfe anspricht, um ihnen einen Auftrag anzuvertrauen: Christus zu gebären, die Kirche aufzubauen, einer neuen Welt das Leben zu schenken. Die Frauen sind somit berufen, in die innersten Gedanken Gottes selbst einzukehren und das Leben zu ersinnen.
„Jünger Als Die Sünde“
Bernadette erfährt also am 25. März 1858,
dass die Dame von der Grotte, Aquéro,
niemand anderes ist als Maria, die Mutter
Jesu. Dennoch überrascht der Name, den
sie sich gibt. Er erinnert an das Dogma, das
von Papst Pius IX vier Jahre zuvor, am 08.
Dezember 1854 festgesetzt wurde: Maria
wurde ohne Erbsünde empfangen. Aber in
Lourdes geht es nicht mehr einfach darum,
an ein Merkmal Mariens zu erinnern, dass
schon im Gebet der „Wundertätigen Medaille“
benannt wird: „O Maria, ohne Sünde
empfangen, …“. Es geht Maria darum, zu
sagen, wer sie ist und das Geheimnis ihres
Herzens zu offenbaren. Sie faltet ihre Hände,
hebt die Augen gen Himmel und sagt:
„Ich bin die Unbefleckte Empfängnis!“
Man könnte vielleicht denken, dass sie damit sagen wollte, dass sie die absolute Reinheit sei, doch die Empfängnis ist keine Eigenschaft, sondern ein Geschehen. Am 25. März, neun Monate vor Weihnachten, feiert wir ja die Empfängnis Jesu. Maria identifiziert damit ihr ganzes Sein mit ihrem Auftrag, für die Welt ein kleines Wesen zu empfangen, das gerade erst in ihrem Leib Gestalt annimmt, den Sohn Gottes: Sie hat keine andere Existenz als diese Mutterschaft, die hier in ihrem Ursprung selbst bezeichnet wird, die Empfängnis des Kindes. Wenn sie selbst ohne Sünde empfangen wurde, dann nicht, damit es dabei bleibt und man bewundernd zu ihr aufschaut, sondern damit wir ihr in ihrem JA folgen, in ihrer Aufnahme der Gabe Gottes. „ICH BIN“, sagt sie uns und geht ganz und gar auf in diesem Überschwang der Liebe, der Gott dazu bringt, sich uns als kleines Kind zu schenken.
Pater Kolbe versucht es uns zu erklären: In Gott ist der Vater, derjenige, der empfängt, der Sohn, derjenige der empfangen wird, der Geist ist die Empfängnis, die geteilte Liebe von Vater und Sohn.2 Und Gott will der Erde diese Liebe schenken: Er hat dafür voll Liebe das Herz eines Geschöpfs vorbereitet, damit dieses seinen Geist ohne Vorbehalt empfängt. Wenn Maria nicht JA gesagt hätte, hätte er die Tür selbst gewaltsam nicht öffnen können, es wäre beim Anklopfen geblieben. Aber er hat diese kleine Frau aus Nazareth zu finden gewusst, die vollkommen frei von sich selbst war, frei von jedwedem Streben nach einer autonomen Existenz; sie ist erfüllt von Gnade, erfüllt vom Heiligen Geist, sie ist davon ganz erleuchtet.
2 – Maximilian Kolbe, Die Unbefleckte offenbart den Heiligen Geist, Texte übersetzt von J.-F. Villepelée, Paris, 1974, p. 47-51.
Nichts ist für Gott je verloren. Die Sünde hat in der Geschichte nicht das letzte Wort. Wir sind verwurzelt in einer Liebe, die uns trägt. Eine Liebe, die die Sünde nicht aus den Tiefen unserer Herzen auszulöschen vermochte. Tief in unserer Geschichte, unter all den Schichten von Gewalt und Schlamm und wahrhaftiger als all unsere Beschmutzungen, ist der Gesang dieser Quelle, die vom Herzen Mariens emporquillt, da ist dieses JA, dieses „Mir geschehe“, das „Fiat“ das zum Licht gesagt wird und das uns aus der Nacht des Nichts befreit.
Als der Herr die Welt erschaffen will, weiß er, dass
er „Fiat Lux“, „Es werde Licht“, sagen kann, denn
er hört schon die Antwort seines Geschöpfs: „Fiat
mihi secundum Verbum tuum“, „Mir geschehe nach
deinem Wort“. Er hört das Herz derjenigen schlagen,
die es seinem Schöpferwort erlaubt, in ihr
Fleisch zu werden. Die Existenz ist uns nicht auferlegt.
Es liegt an jedem Einzelnen von uns, seinen
marianischen Teil in seinem Dasein zuzulassen, der
es wagt, ja zu sagen. „Gelobt seist du, der du mich
erschaffen hast“, so das Gebet der Heiligen Clara
und es wird zu unserem Gebet, wenn wir uns von
unserem Stolz oder unseren Ängsten befreien und
uns dem Leben öffnen.
Das „Fiat“, das Ja Mariens, ist das Ja einer Freiheit,
die aus den Quellen der Gnade schöpft. Eva hat zugelassen, dass die Schlange
in ihr den Zweifel sät, Maria lebt aus dem Vertrauen auf den, der in seiner
Treue zum Vater bis zum äußersten Ende geht. Maria lebt vom Gehorsam
Jesu. In der Chronologie der Erde lebt sie vor ihrem Kind Jesus, aber im
Herzen Gottes, ist sie für immer die erste Jüngerin des Wortes „Tochter ihres
Sohnes“3.
Ausgehend von ihrer eigenen Erfahrung, kann uns die Heilige Theresia vom
Kinde Jesu besser als die großen Theologen dabei helfen, diese Abhängigkeit
Marias in Bezug auf ihren Sohn zu verstehen. Sie ist sich selbst bewusst,
dass ohne das Handeln Gottes, der sie bewahrt, sie die größte Sünderin
wäre: „Ich gebe zu, dass ich ohne Ihn, genauso tief hätte fallen können wie
Maria Magdalena […], aber ich weiß auch, dass Jesus mir mehr vergeben hat
als der Heiligen Maria Magdalena, da er mich im Vorhinein bewahrt und verhindert
hat, dass ich falle.“ (Handschrift A, 38 v) Die Heiligkeit ist die Frucht
einer zuvorkommenden Barmherzigkeit, sie ist keine Eigenschaft, mit der die
Person eitel sich rühmen könnte.
Da Maria ohne Sünde empfangen ist, schien sie in den Augen der Theologen
von der allgemeinen Rettung im Tod und in der Auferstehung Jesu
ausgenommen zu sein. Sie hätte es nicht nötig gehabt erlöst zu werden.
Dabei ist sie die an meisten vollende Erlöste, nicht im Nachhinein, so als ob
Gott seine kaputte Schöpfung nur noch hätte reparieren können, sondern
sie ist von Beginn an „die Frau, die in der Gnade endlich wieder aufgerichtet
wurde,… das Geschöpf, das aus Gott am Morgen ihres ursprünglichen Glanzes
hervorgegangen ist“4.
Um diese Bewahrung von der Erbsünde verständlich zu machen, entwickelte
„Duns Scotus5 damals ein Argument, das später, im Jahre 1854, auch der selige
Papst Pius IX. übernahm, als er das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis
Mariens feierlich verkündete. Es ist das Argument der „Vorauserlösung“,
der zufolge die Unbefleckte Empfängnis das schönste Werk der von Christus
gewirkten Erlösung darstellt, weil durch die Kraft seiner Liebe und seiner Mittlerschaft
die Mutter vor der Erbsünde bewahrt wurde. Maria wurde also von
Christus vollkommen erlöst, aber bereits vor ihrer Empfängnis.“6
3 – Dante Alighieri, zitiert von Johannes Paul II, Redemptoris Mater 10.
4 – Paul Claudel, La Vierge à midi (Die Jungfrau am Mittag), Dichterisches Werk, Kriegsgedichte 1914-1915, La Pléiade,
Gallimard, 1957.
5 – Dieser franziskanische Theologe des 13. Jahrhunderts wurde von Papst Johannes Paul II im Jahr 1993 offiziell als
« selig » anerkannt. Seine marianische Doktrin, in deren Zentrum die Kraft der Rettung durch Christus steht, hat seine
Ordensfamilie geprägt, die in der Unbefleckten Empfängnis Mariens ihre Patronin und Königin feiert.
6 – Benedikt XVI, Generalaudienz vom 7. Juli 2010.
Es ist weder das Lehramt der Kirche, noch sind es die Theologen, die diese
Doktrin erfunden haben. „Hervorragende Theologen – wie Duns Scotus
im Fall der Lehre über die Unbefleckte Empfängnis – haben durch den besonderen
Beitrag ihres Denkens das bereichert, was das Gottesvolk bereits
von sich aus in Bezug auf die allerseligste Jungfrau glaubte und in Werken
der Frömmigkeit, in der Kunst
und ganz allgemein im christlichen
Leben zum Ausdruck brachte. Der
Glaube sowohl an die Unbefleckte
Empfängnis als auch an die leibliche
Aufnahme Mariens in den
Himmel war im Gottesvolk bereits
vorhanden, während die Theologie
noch nicht den Schlüssel gefunden
hatte, um ihn im Rahmen der gesamten Glaubenslehre zu interpretieren. Das Gottesvolk geht also den Theologen voraus, und zwar dank jenes übernatürlichen „sensus fidei“, jener vom Heiligen Geist eingegossenen Fähigkeit, die in die Lage versetzt, die Wirklichkeit des Glaubens mit demütigem Herzen und Verstand anzunehmen.
In diesem Sinne ist das Gottesvolk „vorausgehendes Lehramt“, das dann von der Theologie vertieft und intellektuell angenommen werden muss. Mögen die Theologen stets diese Quelle des Glaubens anhören und die Demut und Einfachheit der Kleinen bewahren!“7
Das Volk hätte sicher nicht eine Doktrin der Erbsünde intellektuell entwickeln können: was es erlebt, ist die Gewissheit einer mütterlichen Präsenz, die Zärtlichkeit einer Liebe, aus der ein wahres Leben hervorquillt, das nicht verschmutzt oder verdammt ist, sondern für immer rein und schön. Das ist es, was der Glaube uns lehrt: der Glaube, das heißt das ursprüngliche Vertrauen, das uns aus dem Nichts reißt und uns für das Werk Gottes bereit macht.
Maria, die ohne Sünde empfangen ist, fehlt es an nichts, sie ist nicht weniger menschlich als die Sünder, ganz im Gegenteil. Sie ist das Geschöpf, das sich nicht der Hand Gottes entzieht und das der Gnade gehorsam bleibt. Sie ist die, die vollkommen zuhört und die deshalb von den Gefängnissen des Egoismus, des Stolzes oder der Angst gänzlich befreit ist. Befreit von aller Übersättigung durch das nur auf sich selbst bezogene, eigene Ich, ist sie transparent für die geschenkte Liebe und ist in der Lage, diese auf die Welt zu bringen.
Maria, eine Ausnahme unserer Menschheit? Statistisch gesehen mit Sicherheit, aber die Wahrheit liegt nicht in Statistiken. Maria ist die wahre Menschheit, sie legt inmitten unserer Geschichte Zeugnis dafür ab, dass der Ursprung der Schöpfung immer zugänglich bleibt. Und in Lourdes zieht sie uns mit Bernadette zur Quelle hin. Sie zeigt uns, wer wir im Herzen Gottes sind. Es bestätigt sich, dass wir durch den Blick dessen existieren, der uns leben lässt. Ich schenke mir nicht selbst das Leben, ich empfange es und gebe es weiter, ich lebe durch und in einem Austausch der Liebe.
Wir sind es also, die eine Ausnahme bilden, wir, die wir oft diese Verbindung mit dem Bösen, der Furcht, dem Argwohn Raum geben und die versuchen in künstliche Paradiese zu entkommen. Aber in Jesus Christus, seinem erstgeborenen Sohn, schenkt uns Gott, dass auch wir als seine Kinder wieder-
geboren werden. „Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Grundlegung der
Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor ihm.“ (Eph 1, 4) Er lässt uns
in seiner Familie, der Kirche, neu zur Welt kommen: „wie auch Christus die
Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat, um sie zu heiligen, da er sie
gereinigt hat durch das Wasserbad im Wort! So will er die Kirche herrlich
vor sich hinstellen, ohne Flecken oder Falten oder andere Fehler; heilig soll
sie sein und makellos.“ (Eph 5, 25-27)8
Lassen wir uns also anstecken von der vertrauensvollen Demut Marias und
der Einfachheit Bernadettes, die die Fallen überwindet, die man ihr stellen
will. Empfangen wir dieses Kind, das Gott uns schenkt, „jünger als die
Sünde, jünger als die Art, aus der sie hervorging und obwohl sie
Mutter durch Gnade war, Mutter der Gnaden, ist sie die Jüngste des
menschlichen Geschlechts.“9
„Sie hatte blaue Augen“, Farbe der Geburt. So schließt Bernadette
den Bericht der Erscheinungen.10
7 – Benedikt XVI, Generalaudienz vom 7. Juli 2010.
8 – Es gefällt mir, die Heiligkeit im geduldigen Volk Gottes zu sehen: in den Eltern, die ihre Kinder mit so viel Liebe erziehen,
in den Männern und Frauen, die arbeiten, um das tägliche Brot nach Hause zu bringen, in den Kranken, in den älteren
Ordensfrauen, die weiter lächeln. In dieser Beständigkeit eines tagtäglichen Voranschreitens sehe ich die Heiligkeit der
streitenden Kirche. Oft ist das die Heiligkeit „von nebenan“, derer, die in unserer Nähe wohnen und die ein Widerschein
der Gegenwart Gottes sind, oder, um es anders auszudrücken, „die Mittelschicht der Heiligkeit“ (Papst Franziskus, Apostolisches
Schreiben Gaudete et exsultate § 7). Die Heiligkeit ist das schönste Gesicht der Kirche (§ 9). Wir sind alle berufen,
heilig zu sein, indem wir in der Liebe leben und im täglichen Tun unser persönliches Zeugnis ablegen, jeder an dem Platz,
an dem er sich befindet. (§ 14). Fürchte dich nicht davor, höhere Ziele anzustreben, dich von Gott lieben und befreien zu
lassen. Fürchte dich nicht davor, dich vom Heiligen Geist führen zu lassen. Die Heiligkeit macht dich nicht weniger menschlich,
denn sie ist die Begegnung deiner Schwäche mit der Kraft der Gnade. Im Grunde genommen gibt es, wie Léon Bloy
sagte, „nur eine Traurigkeit im Leben: kein Heiliger zu sein„ (§ 34).
9 – G. Bernanos, Journal d’un curé de campagne (Tagebuch eines Landpfarrers), in OEuvres romanesques, La Pléiade, 1961,
S.1194.
10 – R. Laurentin, Leben der Bernadette, DDB, 1978, S.187.
„Siehe Deine Mutter“
Jedes Privileg von Gott ist dazu da, dass man es teilt. Maria
kommt nicht, um sich von Bernadette bewundern zu lassen,
sie vertraut ihr einen Auftrag an, nämlich den, der sündigen
Welt diese Ankündigung zu machen: „ICH BIN die Unbefleckte
Empfängnis“. Bernadette wiederholt nicht nur, sie
macht sich diese Aussage zu eigen. Ebenso werden „die
Priester“, zu denen sie gesandt wird, ihrerseits erfahren,
dass sie „eine Kapelle“, eine Wohnung Gottes unter denMenschen bauen sollen, aber außerhalb der ausgetretenen Pfade, wie in der Wüste. Neues soll entstehen: ein Volk wird in unbewohntes Land gerufen, um die Gnade einer neuen Schöpfung zu empfangen.
Der Pharisäer Nikodemus stellte Jesus die Frage, die auch Maria stellte, als der Engel Gabriel ihr verkündete, dass sie die Mutter des Messias sein sollte: „Wie soll das geschehen?“ (Joh. 3,9) Kann ein alter Mann in den Schoß seiner Mutter zurückkehren, um neu geboren zu werden? Genau darum geht es. Unsere Geburt auf der Erde eröffnet uns einen Bereich, der uns eine Erinnerung und den Vorgeschmack einer anderen Welt geben soll. Wir sind für das Glück einer anderen Welt geschaffen, nicht, um aus der, in der wir leben zu fliehen, sondern um in ihr unsere Empfangsbereitschaft für die Gnade zu erwecken. „Meister, wo wohnst du?“ wird Jesus von zwei Jüngern Johannes des Täufer gefragt: sie werden den geliebten Sohn entdecken, der im Schoß seines Vaters weilt (Joh. 1, 38-39).
Wir haben in Maria das Modell der zu bauenden Kapelle, als Haus in Nazareth und des Abendmahlsaals, als Haus, das vom Gebet durchdrungen und bereit für die Gabe des Geistes ist. Kann uns der Cachot in der Rue des Petites-Fossés nicht schon einen Hinweis auf die Adresse geben? Das Gebet und die familiäre Liebe, das war es, was Bernadette im Alltag nährte. Die Liebe zu Gott und der Dienst an den Armen – das wird ihre Berufung bei den Schwestern der Nächstenliebe in Nevers sein. Bernadette, die von der Flamme, die am Ostermorgen aus dem Grab hervorgeht, erfüllt ist, spiegelt das Lächeln, das Licht des Blicks und des Herzens Mariens wieder, sie erfüllt ihren Auftrag, nicht wie ein Briefträger, der vom Inhalt der Botschaft nichts weiß, sondern wie die ersten Zeugen der Frohen Botschaft, die davon selbst als erste verklärt sind.
Bernadette kann, als sie aus ihrer verzückten Betrachtung zurückkehrt, den Sinn ihrer Aussage nicht erklären, aber sie hat sie wie einen Samen in ihrem Herzen empfangen: „ICH BIN die Unbefleckte Empfängnis.“ Maria wurde so als erste in die Familie Gottes aufgenommen. Nicht aufgrund ihrer Natur, sondern aus Gnade, durch das Wirken des Heiligen Geistes in ihr, nimmt sie Teil an der Niederkunft des Sohnes Gottes. Auch Bernadette wird ihren Auftrag annehmen und erfüllen. Wir haben 2019, im Bernadette-Jahr darüber gesprochen, als es ihr darum ging einem jungen Mädchen, das in Nevers eintreten wollte, sich aber nicht in der Lage sah, sich der ekligen Wunde
einer kranken Schwester zu nähern, die Nächstenliebe Gottes beibringen
wollte11. „ICH BIN die Unbefleckte Empfängnis.“ Ich lasse mich von dem Feuer
der Kerzenflamme anstecken und ich werde zum brennenden Dornbusch:
Ich bin von mir aus nichts anderes als eine kleine Dornenpflanze, aber eine
liebende Gegenwart erleuchtet mich von innen heraus, um sich durch mich
weiterzugeben12.
Nein, Bernadette, du bist nicht „zu nichts zu gebrauchen“, du bist ein reines
Wunder und du bringst deine Brüder und Schwestern, die Pilger, dazu, die
vergessene Quelle ihrer Empfängnis in Gott selbst wiederzuentdecken, ihre
Berufung zur Gotteskindschaft.
11 – „Eines Tages trug Bernadette mir auf, mit Mutter Anne-Marie Lescure, die blind war, spazieren zu gehen. Sie sagt
zu mir: Du kümmerst dich um sie, als wäre sie der liebe Gott. Ich antworte ihr: Ah! Das ist ein großer Unterschied. Ich
fragte sie, warum diese Kranke nicht ihre ganzes Ordensgewand trage. Sie sagt zu mir: Das kannst du dir heute Abend
anschauen. Ich kam und ich sah die Wunde dieser Kranken, die von Würmern besiedelt war und die Bernadette auf
einem Tablett entgegennahm. Ich konnte das nicht mit ansehen. Da sagt Bernadette zu mir: – Was für eine Schwester
der Nächstenliebe soll aus dir nur werden! Dein Glaube ist klein.“ (Bericht von Julie Garros, in R. Laurentin, Leben der
Bernadette, DDB, 1978, S. 185)
12 – C’est le sens du miracle du cierge, du mercredi de Pâques 7 avril 1858.
Das Wesen Mariens ist die Mission der Kirche,
es ist nicht nur ein Auftrag unter vielen,
sondern ein Auftrag, der sie ausmacht, der
ihr ihren Namen, ihr Wesen gibt. Sie empfangt,
trägt und bringt den eingeborenen
Sohn Gottes in die Welt, den vollkommenen
Ausdruck der Liebe des Vaters „Wer Ohren
hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Wer überwindet, dem will
ich geben von dem verborgenen Manna und will ihm geben einen weißen
Stein; und auf den Stein ist ein neuer Name geschrieben, den niemand kennt
als der, der ihn empfängt.“(Offb 2, 17) Es wäre schön, wenn jeder Teilnehmer
im Laufe der Wallfahrt einen weißen Stein empfinge, auf den er eine Aufgabe
schreibt, die ihm anvertraut ist, eine einzigartige Mission, in die er sein
ganzes Leben investiert. Ich denke dabei an jene Schwester, die am Tag
ihrer Einkleidung, den Beinamen „die geteilte Freude“ erhalten hat: ohne
dass es ihr bewusst war, strahlte bei vielen Gelegenheiten eine Freude aus,
an der andere sich nähren konnten.
„ICH BIN die Unbefleckte Empfängnis.“
Der Herr bewahrt nicht eifersüchtig seine
Privilegien, er überlässt uns alles, sogar
das Leben seines einzigen, geliebten
Sohnes. (Gen 22,2) Im Unterschied zu
Abraham, der seinen Isaak zurückerhält
und dem das Opfer erspart bleibt, geht
der Vater bis ans Ende seines Opfers und
Maria, seine Mutter, nimmt daran teil.
Uns wird also klargemacht, dass diese
Liebe in der Lage ist, den Abgrund des
Verstoßenseins, des Leidens und des Todes
zu überwinden und endlich das JA
des Geschöpfs zu bekommen, das ihn
anerkennt: Gott zeigt sich in der Lage,
selbst die Schuldigen in Pilger zu verwandeln,
versöhnt mit dem Leben, das
er gewährt.
Treten wir in diesen Dialog ein, der die
Kirche im Garten des leeren Grabes hervorbringt.
Die Frau blieb dort und weinte.
Da hört sie, wie sie gerufen wird : „Maria!“ und da erkennt sie den, der zu
ihr spricht: „Rabbi!“ (Joh 20,16) In gewisser Art und Weise „entfleckt“ Jesus
Maria Magdalena, indem er ihr den Namen derjenigen gibt, die den ihren
verloren hat, denn im Johannesevangelium wird sie einfach als „die Mutter
Jesu“ bezeichnet. Die große Unbekannte des 4. Evangeliums existiert nur
durch die sie erfüllende Gnade und den Auftrag, der ihr anvertraut ist: Sie ist
davon ganz durchdrungen und sie verbreitet ihn im selben Maß wie seine
Hingabe, vollständig.
Maria Magdalena die zur „Apostelin der Apostel“ aufgestiegen ist, geht
selbst ganz in der Mission der Kirche auf, „sie lebt, um zu verkündigen“13.
Schließlich werden aus den armen Fischern vom Ufer des galiläischen Meeres
ganz und gar „Menschenfischer“, sie werden Christus tragen, wie eineMutter ihr Kind trägt. „Meine Kinder, die ich abermals unter Wehen gebäre, bis Christus in euch Gestalt gewinne!“, schreibt der Apostel Paulus in seinem Brief an die Galater, kurz nachdem er folgendes Geheimnis offenbart hat: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau,… damit wir die Kindschaft empfingen“ (Gal 4, 4.19).
Die Kirche muss ihren Namen d.h. ihr Wesen und ihre Mission wiederfinden, sie muss fortwährend der Versuchung widerstehen, ihr eigener Bezugspunkt zu werden, sich zu verselbständigen, um zu einem Denksystem, zu einer humanitären Organisation, zu einer Religion unter vielen zu werden: Sie ist der Ort eines geteilten Lebens, das Leben Gottes selbst, das sie entzündet und entflammt. Ihre einzige Sicherheit liegt in ihrem Gott, der ihr immer wieder sagt: „Ich habe dich beim Namen gerufen, du bist mein“ (Jes 43,1), „Ich habe dich eingezeichnet in meine Hände“ (Jes 49,16), „Man ruft dich mit einem neuen Namen, den der Mund des Herrn für dich bestimmt“ (Jes 62,2). „Dann wirst du dich in deinem Herzen fragen: Wer hat mir diese geboren? Ich war doch kinderlos und unfruchtbar, war verbannt und verstoßen. Wer hat mir diese herangezogen? Ich war doch allein übrig geblieben. Wo kommen sie her?“ (Jes 49,21)
Angesichts dieses großen Geheimnisses der geschenkten Erwählung Gottes, des verliehenen Heils und der anvertrauten Mission, kannst du den Ruf der Dankbarkeit gegenüber dem, der dich liebt, emporsteigen lassen: „Du, Herr, bist unser Vater, Unser Erlöser von jeher ist dein Name.“ (Jes 63,16). Du musst verstehen, dass wenn du erwählt, bevorzugt, ausgesucht wurdest, dann, damit alle durch dich zu verstehen lernen, dass sie gewollt, geliebt, erwählt sind; wenn du, vom Herrn geführt worden bist, trotz deiner Verbrechen und deiner Prostitution, – wie es die Heilsgeschichte des jüdischen Volkes und der ersten Kirche bezeugt-, dann muss es im Himmelreich einen Platz für die Kranken und die Sünder, die Prostituierten und die Steuereintreiber geben.
So entdecken wir unsere Mutter die Kirche als ein Abbild Mariens, die an der Geburt der Kinder Gottes teilhat. Die Kirche ist keine Vereinigung, die sich aus uns zusammensetzt, sie ist eine Familie, die uns aufnimmt und die uns trägt. Maria, ihr Vorbild, ist zugleich auch ihre Mutter, in dem Sinne, dass die Kirche vom Glauben ihres unbefleckten Herzens lebt, das empfangsbereit für die Gabe Gottes ist. Maria fügt dem Heilswerk nichts hinzu, dennoch arbeitet sie an seiner Erfüllung mit, indem sie es in vollendeter Art und Weise annimmt, ohne dass etwas davon verloren geht, während wir, allein auf uns gestellt, fliehen und Jesus allein lassen. Aber „die Mutter Jesu war dabei“,
in Kana und am Fuße des Kreuzes, am „Beginn der Zeichen“ und als Jesus
zu sagen vermag: „Es ist vollbracht.“
13 – Paul VI, Apostolisches Schreiben Evangelii Nuntiandi (8. Dezember 1975), § 14.
In Lourdes können wir, mit Bernadette, Maria bei
uns aufnehmen, um noch mehr aus der Gnade
unserer Taufe zu leben, um uns von diesem
glaubenden Herzen, das Jesus getragen hat,
neu gebären zu lassen: so wird Bernadette am
08. September 1858 als Mitglied der Marienkinder
aufgenommen. Auch wir können Teil der
Erzbruderschaft der Familie Unserer Lieben Frau
von Lourdes (Famille de Notre Dame de Lourdes)
werden und die Freude der Erscheinungen kennenlernen.
Dann erhalten wir das blaue Skapulier
von Maria und Bernadette: wir haben dann wie
sie „Christus angezogen“ (Gal 3,27).
Ein weißer Stein, ein blaues Skapulier, damit werden wir zum weiteren Christus
im Herzen Mariens, zu Jüngern und Missionaren des lebenspendenden
Geistes, im Dienste der Zivilisation der Liebe. Das ist die Mission der Unbefleckten
Empfängnis: Maria, die Unbefleckte, die „voll der Gnade ist“, ist
der Weg, über den Jesus, der in ihr unsere Menschlichkeit angenommen
hat, auch heute noch in das Herz eines jeden Menschen kommt. Damit ist
sie gleichzeitig auch der Weg, über den jeder Mensch zu ihrem Sohn gelangen
kann und über ihn zum Vater. Der heilige Maximilian Kolbe führt uns
auf diesen Weg, der bereits zuvor von Ludwig-Marie Grignion de Montfort
beschrieben wurde: „Wenn wir also eine feste Verehrung der Allerheiligsten
Jungfrau einführen, dann nur, um ein leichtes und sicheres Mittel zu haben,
um Jesus Christus zu finden. Wenn die Verehrung der Heiligen Jungfrau von
Jesus wegführen würde, müsste man ihr als einer Illusion des Teufels widersagen.
Aber keineswegs ! Diese Verehrung dient nur dazu, Jesus Christus ganz
und gar zu finden, ihn zärtlich zu lieben und ihm treu zu dienen. » (Auszug
aus der „Wahren Verehrung der Heiligen Jungfrau“, Nr. 62)
Wir müssten wieder das Kapitel VIII der Konstitution über die Kirche aufschlagen
und uns erneut klarmachen, dass wir, wären wir allein auf uns gestellt,
Jesus suchen würden, indem wir den Windungen unseres Verstandes
nachgingen, unseren armseligen Gefühlen, die uns sehr schnell von schönen,
uns inspirierenden Begegnungen oder guten, uns erbauenden Vorsätzen,
ablenken. Nur Maria kann durch ihren reinen Glauben einen direkten
Weg zum Herzen Gottes bahnen. Von da an „wird die direkte Verbindung
zwischen den Gläubigen und Christus nicht nur nicht davon gestört, sondern
im Gegenteil sogar gefördert“14. So ist Maria die Mittlerin mit einer „mütterlichen
Vermittlung“15, wie ein Prägestock, der uns formt und uns nach dem
Abbild ihres Sohnes, unseres erstgeborenen Bruders neu gestaltet.
Dort hat das Mariengebet seine Wurzeln und lässt uns in den Lobpreis,
das Magnifikat Marias eintreten, bis hin zum Fuß des Kreuzwegs, bis zu
den Wegen der Kirche, inmitten der Menschen aus allen Epochen und aller
Herren Länder, umgeben vom Atem des Geistes Jesu, der sich am Kreuz für
ein neues Pfingsten hingegeben hat. Bernadette hat dies vor der Grotte von
Massabielle erkannt. Uns bleibt nur, es auch anzunehmen und uns in die
Gnade der Gabe, die uns geschenkt ist, einzugliedern.
„Die Zukunft von Lourdes, ist die Unbefleckte Empfängnis“, versicherte Pater
Duboé, einer der ersten Priester der Wallfahrtsstätte, bei der ersten Messe
an der Grotte im Jahr 1866. 2008 konnte man ergänzen: „Die Zukunft der
Menschheit ist die Unbefleckte Empfängnis“, es ist die Freude der Geburt
und des Anfangs.16
14 – Vatikan II, Lumen Gentium 60.
15 – So lautet der Titel des dritten Teils der Enzyklika Redemptoris Mater.
16 – P. de La Teyssonnière, zitiert P. Duboé, und fasst seine Äußerung zusammen, indem er versichert: „Lourdes, ist (für)
die Sünder“, das heißt für alle. Siehe Kolloquium Lourdes 2005, S. 151, und Kolloquium Lourdes 2008, bei dem P Brito auf
S. 44 abschließend feststellen kann: „In jedem Mensch, egal wie entstellt von der Sünde er sein mag, wird die Spur Gottes
immer gegenwärtig sei. Daher hat niemand das Recht zu verzweifeln, nicht an sich, nicht an seinem Mitmenschen. So
eröffnet sich in der Person Mariens, der ganzen Welt eine immense Hoffnung“.